Three Fingers Canyon
Der Anstieg an den Flanken der San Rafael Swell fällt sehr unterschiedlich steil aus. Im Westen sehr sanft, stellenweise fast nicht merkbar, dafür im Osten um so heftiger. Der steilste und vielleicht eindrucksvollste Abschnitt liegt südlich des Spotted Wolf Canyons, durch den die Interstate 70 hinauf auf die Swell zieht.
Hier, etwas versteckt hinter der Shadscale Mesa haben die Schichten Neigungswinkel von mehr als 30 Grad. Auf der Dirtroad durch das so genannte "Squeeze" zwischen der vorgelagerten Mesa und dem Reef hat man wahrscheinlich den besten Blick auf die Szenerie, kommt relativ einfach nahe an die steil aufragenden Zacken heran.
Da sind Lücken im Reef, aber nur einige davon haben tatsächlich die Qualitäten eines Canyons. Little Spotted Wolf Canyon ca. 1,2 Meilen südlich der Interstate dürfte der erste sein, nochmal 2,5 Meilen südlich folgt der nächste. Normalerweise wird er nach der dort zu findenden, aufgegebenen Uranmine als "Uneva-Canyon" bezeichnet. Gelegentlich findet man auch die Bezeichnung "Second Canyon".
Dieser zweite Name ist quasi eine freie Benennung durch den recht bekannten Autor Michael R. Kelsey, der wahrscheinlich 1986 die Canyons ab der Interstate nach Süden einfach durchnumerierte, soweit sie nicht etablierte Namen tragen oder er diesen nicht kannte oder verwenden wollte. Das sollte wohl die Zuordnung in seinen Tourenberichten vereinfachen, hat aber mehr Verwirrung gestiftet als genutzt.
Nur als Anmerkung: Die Halden der Uneva Mine gelten als gute Quelle für Mineraliensammler, allerdings auch mit der Gefahr, radioaktive Proben aufzulesen.
Am steilsten erhebt sich das Reef noch einmal 2 Meilen weiter südlich. Dort beträgt die mittlere Steigung ca. 50 Grad, wobei einzelne Schichten um bis zu 70 Grad gekippt sind. Dort befindet sich der Three Fingers Canyon. (Nach Kelsey wäre das "Fourth Canyon")
Three Fingers Canyon ist eine geologische Rarität! Auf rund einer Drittel Meile kann man aufgrund der steilen Lagerung der Gesteine rund 100 Millionen Jahre Erdgeschichte durchwandern. Es ist quasi, wie wenn man bei horizontal liegenden Schichten einen 500 Meter tiefen Schacht gebohrt hätte.
Wer sich nicht für Geologie interessiert kann leicht enttäuscht sein, aber wer nach Details sucht wird viele interessante Dinge finden.
Wir haben den Ort zweimal besucht - immer gegen Abend, wenn die Sonne schon hinter der Swell verschwunden war. Die Zufahrt ist eine Emery County Road (B 7193), das bedeutet aber keine Garantie fürs Durchkommen - noch nicht einmal mit einem SUV! Ein Wash hat sich einige Meter tief und V-förmig eingegraben. Die Road geht durch die enge Kerbe, verursacht bei Fahrzeugen mit ungünstigen Radstand bzw. Bodenfreiheit erhebliche Schwierigkeiten. Wer nicht durchkommt, kann die letzte halbe Meile aber auch laufen.
Wie kommt man hin?
- Entweder durch The Squeeze wie im Bericht dazu beschrieben. Nachdem die Road nach Osten abknickt nimmt man in eineinhalb Meilen Entfernung bei 12S 0550056 4302573 einen Abzweig nach Süden. Nach knapp einer Meile ein zweiter Abzweig. Dort führt bei 12S 0549713 4301225 eine Spur genau auf das Reef zu. Das ist die Road, die an der Mündung des Three Fingers Canyon endet und durch den etwas schwierigen Wash führt..
- Von der I 70 erreicht man auf der UT 24 nach etwas mehr als 3,5 Meilen (12S 0555628 4302706) eine Dirt Road, die westlich in Richtung Reef führt. (Schild: Hatt Ranch) Man kann 3,5 Meilen weit fahren, gelangt so zur ersten der beiden oben genannten Punkte, biegt dort links ab. Oder man findet die Spur bei 12S 0551756 4302341, die direkt zum zweiten genannten Abzweig führt. (Sie war bisher deutlich schlechter!)
- Bei 12S 0552397 4297733 von der UT 24 westlich abbiegen, sich bei 12S 0549636 4297736 nach Norden halten. So gelangt man ebenfalls zum 2. Abzweig.
Zusätzliche Wegbeschreibungen verkneife ich mir. Im kurzen, leicht begehbaren Abschnitt des Canyons kann man sich kaum verlaufen. Es folgen Bilder mit Kommentaren.
Auf den ersten Blick scheint es, als wäre die graue Masse des Navajo Sandstones gequollen wie Hefeteig, habe die anderen Schichten, die links davon sehr steil stehen, zur Seite geschoben. Das täuscht. Auch der Navajo ist aufgefaltet worden. Was heute nahezu senkrecht aufsteigt, lag vor Jahrmillionen horizontal, was man gut an den flacher gelagerten Schichten am Ernie Canyon erkennen kann. Die Schichtfolge ist dort identisch, erstreckt sich aber dort horizontal über 4 Meilen, was hier in maximal 400 Metern durchlaufen wird.
Die jüngeren Schichten, die heute wie nicht mehr zum Reef gehörend erscheinen, sind wegen ihrer geringeren Widerstandsfähigkeit weit stärker erodiert als der Navajo. Die steile Lagerung - bis zu 70° aus der Horizontalen gekippt - belegt neben der Zugehörigkeit zum Reef auch die ungeheuren Kräfte, die die Aufwölbung der San Rafael Swell verursachten. (Es handelt sich um Schichten, die zur so genannten "San Rafael Group" - Jurassic - gehören.)
Nach aussen, Osten hin verringert sich die Schräge der Schichten schnell, was recht gut im obigen Bild zu erkennen ist.
Ums Eck herum hat man einen Blick in den Canyon. Nicht weit entfernt ragt eine Art Wand auf, die wiederum sehr steil ist. Dort ist eigentlich schon wieder Schluss, es sei denn, man wendet sich nach links, um dann dem sehr steilen Wash in Richtung des Plateaus der inneren Swell zu folgen. Eine heftige Kletterei! Wir bleiben erst einmal im vorderen Abschnitt.
Gelegentlich sind die Ablagerungsschichten von Sedimentgesteinen jäh unterbrochen, die darüber lagernden Schichten verlaufen unter anderem Winkel. Wie kommt das zustande?
Die erste Phase der Sedimentation ging irgendwann zuende, wurde von Erosion abgelöst, das anstehende Gestein abgetragen. Später veränderten sich die Umweltbedingungen erneut, so dass wiederum Ablagerung einsetzte. Durch zwischenzeitlich eingetretene tektonische Ereignisse muss der neue Ablagerungshorizont nicht mehr mit dem vorhergehenden übereinstimmen.
Dort wo der Wash durch die Masse des Navajo schneidet verraten die Schichtlinien deutlich, dass auch dieses Sediment nahezu senkrecht gestellt wurde. Das Wasser legt die ehemals eher horizontal verlaufenden Bänderungen frei, zeigt dadurch die Verkippung auf. Heute erscheinen die einzelnen Lagen wie nebeneinander gestellt.
Hydrothermale Gänge findet man relativ häufig. Nicht nur hier in diesem Canyon! Sie entstehen, wenn durch Klüfte gelöste Mineralien aufsteigen und in den Spalten ausgefällt werden. Sie verkitten die Brüche sozusagen wieder. Da das abgelagerte Material besonders in Sedimentgesteinen härter als das umliegende Material ist, wittert es heraus, bleibt mehr oder weniger erhaben stehen.
Ein gewaltiger hydrothermaler Gang, der sich über Meilen verfolgen lässt, ist Roberts Rift (Artikel der Utah State University) im Bereich des Bull und Little Canyons nordwestlich von Moab. Als Ursache seiner Entstehung nehmen Geologen den Asteroideneinschlag am Upheavel Dome an.
Die verdrehte Lage der Gesteinsschichten führt zu weiteren gelogischen Phänomenen. Eines davon sind die "Speilöcher", die dadurch entstehen, das Wasser oben auf dem Fels in Spalten eindringt und diese stetig erweitert. Dort, wo ein Canyon solche Gesteine durchschneidet werden diese Öffnungen sichtbar. Sie entstehen aber nicht wie Alkoven durch wasserführende Horizonte.
Sozusagen hinter - eigentlich unter - dem grauen Navajo Sandstone trifft man in der Regel auf Kayenta, dann auf roten Wingate, der für seine oft senkrechten Cliffs bekannt ist, wie man sie im Südosten Utahs sehr häufig findet. Normalerweise liegt Kayenta als eine Art Deckkappe auf Wingate, ist von diesem durch seine horizontale Schichtung und die zumeist deutlich geringere Dicke unterscheidbar. Logischerweise ist Kayenta jünger als Wingate.
Hier ist alles anders. Die beiden Gesteine stehen sozusagen nebeneinander.
Hinter dem roten Wingate kommen die Schichten von Chinle und Moenkopi, bevor es steil hinauf auf die Hochfläche der inneren Swell geht. Chinle gehört zu den weichen, leicht erodierenden Gesteinen. Da die Formation hier nicht durch die Deckschichten der resistenteren Gesteine, die sonst über ihr zu finden sind - Wingate, Kayenta, Navajo; die so genannte Glen Canyon Group - geschützt ist, wurde sie tief ausgewaschen. Dadurch bildet sich hinter dem Reef ein Graben, Valley, das parallel zur Reefkante verläuft. Nach Süden hin erstreckt sich dieses Tal bis etwas zum Straight Wash, nach Norden bis zum Uneva Canyon. Südlich bzw. nördlich dieser Punkte ist die Aufwölbung der Schichten sehr viel moderater, so dass die weichen Gesteine wieder durch die harten Decklagen geschützt werden.
Dieses Tal hinter dem Reef erlaubt es Wanderern, relativ einfach zum nächsten, die Steinbarriere der Aufwölbung durchbrechenden Canyon zu gelangen. So sind auch Rundtouren ohne allzu grosse Höhenunterschiede zu realisieren.
Es ist inzwischen kurz vor 8 p.m., trotzdem zieht es uns noch nicht nach Hause. Der Canyon strahlt so etwas wie Frieden aus. Wir klettern ein Stück die Schräge an der Südwand empor, setzten uns einfach hin und geniessen die Stimmung.
Irgendwann entdecken wir die Pictographs:
Pictograph Panels sind nicht gerade unsere Spezialität. Wir vermuten, dass da nicht alles "historisch" ist? Später lesen wir von den Zeichnungen im Canyon. Als wir dann in der Dämmerung auf der Rückfahrt sind, uns mit dem Trailblazer durch den diffizilen Wash auf der Road kämpfen, kommt ein Pickup. Ich gebe ihm Zeichen, er möge einen Moment warten. Kein Problem! Der Fahrer stammt irgendwo aus England oder Schottland, lebt in Colorado und will die Nacht im Three Fingers Canyon campen. Auch er meint, die Pictographs seien echt.
Immer wider stösst man auf Einzelheiten, die ein Bild wert sind: