Indian Creek
Irgendwo hatte ich mal gelesen “Die Lockhart Basin Road lohnt sich nicht, ist nur anstrengend und wenig abwechslungsreich!”
Der Meinung schliessen wir uns nicht an. Zwar ist die Strecke lang, ca 50 Meilen Dirt- / 4WD-Trail von Teer zu Teer, aber sie bietet eine Menge, wenn man sich umsieht. Das hatten wir schon in den vergangenen Jahren getan, waren einerseits an der steilen Steigung im kleinen Verbindungscanyon zum Chicken Corner - Trail gescheitert, hatten aber auch im Lockhart Canyon das Ufer des Colorado Rivers erreicht.
Laut älterer lokaler Literatur sollte es in der Gegend noch mehr zu sehen geben, müssten noch weitere Trails vorhanden sein. Dafür spricht auch die Tatsache, dass man diesen Teil der Landschaft bei der Gründung des Canyonlands National Parks nicht ins geschützte Gebiet mit einbezog. Hier lagen noch zu viele Claims, somit wirtschaftliche Interessen. Heute gehören grosse Teile zur Canyon Rims Recreation Area, unterliegen damit einem gewissen Schutz. Flächen, auf denen auch heute noch Claims existieren oder Privatland liegt, durchlöchern das Gebiet wie einen Schweizer Käse.
Auch vor dem Uranboom hat das Gebiet schon Geschichte geschrieben. Im 19. Jh. war zwar bekannt, dass Green und Colorado (damals noch Grand) River irgendwo zusammentreffen mussten, aber niemand wusste wo genau?
1859 startete die Macomb-Expedition mit dem Ziel, die unbekannten Territorien zu kartieren. Ursache waren die Auseinandersetzungen mit den Mormonen (1856/57) und das Eindämmen derer Expansionsbestrebungen. Die Unternehmung sollte verschiedene zusätzliche Aufgaben erfüllen. Zum einen eine realistische Wagenroute von Santa Fe, NM ins südöstliche Utah finden, aber auch die legendäre Confluence der beiden grossen Flüsse aufzuspüren. Unter den Teilnehmern befand sich Dr. John S. Newberry von der Smithsonian Institution, der wohl als erster eine Zeichnung der beiden Sixshooter-Peaks anfertigte.
Vom Gebiet des heutigen Monticello aus drang man in Richtung Indian Creek vor, der die Lockhart Basin Road quert. Ein Camp wurde im Canyon, der als "Labyrinth Canyon" in den Aufzeichnungen zu finden ist, errichtet und von dort aus die Expedition mit Hilfe eines indianischen Führers zu Fuss fortgesetzt. Man scheiterte an grossen Pour Offs kurz vor der Mündung. Es gelang, nach Süden hin aus dem recht tiefen Canyon herauszuklettern und so sahen die Expeditionsteilnehmer zum ersten Mal den heutigen Colorado River.
Ihr Führer deutete in südliche Richtung, behauptete, dort läge die Confluence. Tatsächlich sah man zwei optisch getrennte "Flüsse" und so kartierte man an dieser Stelle den gesuchten Zusammenfluss.
Wie man heute weiss grundfalsch. Die beiden vermeindlich getrennten Flüsse waren ein und derselbe Grand River im Bereich der sog. "Loop", einer gewaltigen Doppelschleife des Stroms. Der tatsächliche Punkt des Zusammenflusses liegt rund 5 Meilen südwestlich der Loop.
Das wollten wir nun wissen - gibt es die alten Spuren noch und wohin führen sie?
Die Anfahrt über die UT 211 ist einfach. Nach dem Abstieg der Strasse hinunter in Richtung Newspaper Rock möchte Lady anhalten. Hier blüht es prächtig im Grün neben der Strasse und Blumen sind nun mal ihr Hobby, sonst und auch photographisch.
Nachdem die Bilder im Kasten sind, folgen wir weiter der Strasse in Richtung des Parkeingangs zur Needles Area. So weit fahren wir allerdings nicht, biegen bei 12S 0616860, 4225905 nach rechts bzw. Norden ab. Die Dirt Road kann hier mit einem Pkw befahren werden, was auch gerne von locals genutzt wird, um am Indian Creek ein Wochenende zu verbringen. Indian Creek liegt nur rund zwei Meilen von der Teerstrasse entfernt. In Zeiten mit Wasser ein Spass für die Kinder, aber in diesem Jahr finden wir den Creek knochentrocken, obwohl es doch im Frühjahr (2009) so viel Regen gegeben hatte!
Durch einen Seitenarm des Indian Creek Canyons steigt die Road auf relativ ebenes Gelände unterhalb und südlich des Needles Overlooks. Die Höhendifferenz dort hinauf beträgt gut 450 Meter. Wir suchen den Ansatz einer alten Mining Road, die durch einen anderen, längeren Arm des Canyons wieder hinunter zum Creek führen soll. Dieses Mal an einer Stelle, wo der Canyon schon tiefer und stark gewunden ist, so dass er dem Namen, den er von der Macomb-Expedtion erhielt, gerecht wird.
Erst mal trödeln wir dahin und dann......sind wir offenbar deutlich am gesuchten Punkt vorbeigeschossen! Anhalten und checken, das wird das Beste sein!
Das Notebook befindet sich stossgesichert in einer Tasche, deren Trageriemen über einer Kopfstütze der Rücksitzbank hängt. Es wird kontinuierlich von einem Autonetzteil versorgt, auch die GPS-Maus ist fest installiert. Man muss nur den Energiesparmodus beenden und automatisch kommt das Programm mit den Topomaps auf den Schirm.
Die ungefähre Koordinate der Abzweigung merken wir uns, kehren um. Und tatsächlich, ca. 1 Meile zurück bei 12S 0615628, 4233096 finden wir eine Spur, die in ein flaches Tal hineinführt. Hier muss es sein.
Einige Zeit führt der Offroad - Trail oberhalb des Washs entlang, der das Tal durchzieht. Dann biegt die Spur ab. Von oben erscheint die Stelle auf den ersten Blick schwierig. Ich steige aus, betrachte die Sachlage an. Eine Felspassage ohne Stufen und mit der richtigen Fahrtroute auch ohne wesentliche Schräglage.
So genügen ein paar Handzeichen und Lady bringt Henry sicher nach unten.
Nun sind wir wieder im Bett des Washs gelandet, folgen ihm abwärts. Nicht für lange, dann spannt sich ein Drahtzaun quer durch den Canyon. Ist hier Schluss? Aussteigen, umsehen.
Eigentlich wäre hier endgültig Schluss mit dem Trail, denn wir befinden uns oben auf einem Jump. Auch hier haben Uransucher nach verwertbarem Erz gesucht. Eine graue Schicht zwischen den roten Sandsteinlagen war das Ziel. Um leichter an die vielversprechenden Lagen heranzukommen hat man eine Rampe aufgeschüttet, die den Höhenunterschied überwindet.
Dann finden wir auch die Stelle im Zaun, wo man ihn für eine Durchfahrt öffnen könnte. Ich will aber zuerst einmal "exploren", wie es denn unterhalb des Jumps weiter geht. Lady mag nicht mitlaufen, bleibt am Auto, während ich mich an den Abstieg mache.
Dicht unterhalb des Zauns geht es in den ersten Stollen. Ungesichert wie der Eingang ist, könnte ihn jeder betreten. Nicht unbedingt eine gute Idee, denn niemand kontrolliert die Standfestigkeit. Gelegentlich haben sich die Miner beim Ende der Unternehmung auch nicht einmal die Mühe gemacht, alle Sprengstoffe zu entfernen. Altes Dynamit wandelt sich aber langsam um, wird angeblich wieder durch einen einfachen Stoss zündbar wie Nitroglyzerin.
Eine weitere Gefahr lauert - durch keinen menschlichen Sinn wahrnehmbar - im Untergrund: Radon! Das hochradioaktive Gas sammelt sich in alten, nicht gut gelüfteten Uranbergbau-Stollen an, verstrahlt beim Einatmen die Lungen unachtsamer Besucher in kurzer Zeit.
Das graue Band zieht sich über einige Distanz hin, bildet den optischen Kontrast zum roten Sandstein. Auf meinem Weg durch den unteren Canyon-Abschnitt kann ich das gut verfolgen.
Dichter Tamarisken-Bewuchs hindert nach einer Weile am Fortkommen. Immerhin, bis zum Hauptcanyon des Indian Creeks bin ich vorgedrungen, dorthin, wo die Macomb-Expedition ihren Weg suchte. Indian Creek und sein Umfeld sind unglaublich wild. Das hatten wir schon vor Jahren aus der Luft sehen können.
Langsam wird es hier unten zwischen den Felsen sehr heiss! Ich kehre um, laufe zum Auto zurück. Weit ist es nicht mehr, noch ums Eck, dann liegt die steile Rampe vor mir. Da darf ich noch in praller Sonne hinaufsteigen.
Zeit zum Lunch! Danach machen wir uns auf den Rückweg zur Lockhart Basin Road, denn hier in der Gegend gibt es angeblich noch mehr zu entdecken! Rustler- und/oder Horsethief-Canyon spuken noch im Kopf herum.