Muddy Creek Canyon
Die Aufwölbung der San Rafael Swell stellt eine geologische Besonderheit dar. Rund 60 x 35 Meilen in den Ausmassen, in der Längsachse SW-NO - orientiert, ähnelt die Form einer gigantischen Bohne, die sich bis auf ca. 2.400 Meter über dem Meeresspiegel erhebt und damit die umliegenden Ebenen um 600 - 1.000 Meter überragt.
Wie die Aufwölbung zustande kam ist unter Geologen recht umstritten, genauso wie einige den nordöstlichen Cedar Mountain hinzurechnen, andere aber diesen Bereich als separates Gebilde betrachten.
Allgemein wird angenommen, die Aufwölbung habe vor 40-60 Millionen Jahren stattgefunden, was anhand der verformten Gesteinsschichten leichter zu bestimmen ist. Aber wie sich das Gebilde in seiner Jugend darstellte, darüber streiten die Gelehrten schon wieder.
Tatsache ist, dass die Aufwölbung von drei Flüssen - Muddy Creek, San Rafael River und Price River durchquert wird. Normalerweise fliessen Flüsse nicht in eine Aufwölbung hinein. Daher geht eine Theorie davon aus, dass das Wachsen der "Beule" langsam vonstatten ging, so dass die schon existenten Flüsse mit ihrer Erosion Schritt halten und sich einschneiden konnten.
Die zweite Theorie geht davon aus, die Aufwölbung sei sozusagen im Untergrund entstanden, habe sich an der Oberfläche kaum bemerkbar gemacht. Als die Flüsse zu einem späteren Zeitpunkt immer tiefer eindrangen, seien sie auf die verformten Schichten gestossen, hätten diese eben genauso wie das umgebende Material abgetragen. (Eine ähnliche Situation liegt am Black Canyon of the Gunnison vor!)
Was auch immer richtig ist, diese drei Flüsse durchschneiden die Swell. Zwei davon, Muddy und San Rafael, durchbrechen auf der östliche Seite in spektakulären Canyons das abrupt aus den umgebenden Ebenen aufsteigende Reef, welches das Wahrzeichen der Swell darstellt.
Wir hatten uns vorgenommen, den Durchbruch des Muddy Creeks nordwestlich von Hanksville zu erkunden. Schwache Spuren, die in diese tiefe Schlucht hineinführen kannten wir, hatten aber auch erfahren, die Strecke sei tückisch, eigentlich nur für Wanderer geeignet und - natürlich! - Flash Flood-gefährdet.
Das ganze hat eine Vorgeschichte. Vor Jahren waren wir den Spuren von Norden bis hinter die Hidden Splendor Mine gefolgt, hatten dort unser Waterloo erlebt, das Auto festgefahren und runde 24 Stunden festgesessen. Eine etwas traumatische Offroad-Erfahrung.
Diese Mal wollten wir die Sache von Süden angehen. Es war stabiles, trockenes Wetter vorhergesagt, die Chance auf Thunderstorms praktisch bei Null. Somit so gut wie keine Gefahr einer Flash Flood. Ausserdem war das Jahr sehr trocken gewesen, so dass generell nur sehr wenig Wasser im Creek sein würde. Die Zufahrt über die Coal Bench vorbei an der Factory Butte war uns wohlbekannt. Wir beschliessen es zu wagen!
Die gut bekannte Strecke. UT 24 in Richtung Caineville. Bei 12S 0509465, 4246334 nach Norden abbiegen auf die Gravelroad, die uns vom North Caineville Reef über die Factory Bench vorbei an der Factory Butte bringen würde.
Die Gegend wird als Coal Bench bezeichnet, weil sich hier Steinkohlevorkommen befinden, die von den ersten Siedlern Hanksvilles, Cainevilles und Giles für den winterlichen Bedarf abgebaut wurden.
Dass hier einst ganz andere Lebensbedingungen herrschten, - die flachen Gewässer eines tropischen Meeres, - kann man erkennen, wenn man etwas genauer hinschaut. Milliarden versteinerter Muscheln (Gryphaea newberryi) bedecken weite Flächen wie Kies!
Die Road - Coal Mine Road - ist in diesem Abschnitt in sehr gutem Zustand. Solange es trocken bleibt, muss man keine Hindernisse fürchten. Nördlich der Factory Butte treffen wir oben am Hang über einem weiten Tal auf eine Wegegabelung. (12S 0506406, 42617067) Beide führen hinunter ins Tal, das dem North Caineville Reef, auf dem wir gerade stehen, vorgelagert ist.
Die nach links abzweigende Road wird schnell zum Trail, führt in das so ausserirdisch anmutende Gebiet zwischen den Kämmen des North Caineville Reefs. Wir nehmen die rechts abzweigende Route hinunter in Richtung Norden zum Muddy Creek.
Bei Annäherung an den Muddy Creek verändert sich die Landschaft. Die grauschwarzen Töne treten in den Hintergrund. Es wird sandig, Tamarisken drängen sich ins Bild.
Spätestens hier wird klar, dass der Trail eine andere Qualität bekommt. Die Überquerung des Creeks ist nicht einfach, sehr oft gar nicht erst möglich. Hat man die Furt überwunden, kann man sich auch nach Osten in Richtung Goblin Valley wenden. (Man muss hier nicht queren, ein paar hundert Meter flussaufwärts liegte ien zumeist leichter befahrbare Furt.)
Eine andere Spur führt entlang des Creeks und stellenweise in ihm flussaufwärts, dorthin wo das Reef der Swell aufragt. Man kann eine Schlucht erkennen.
Es ist Wochenende. Wir sind nicht allein! Noch vor dem Reef treffen wir auf eine Gruppe locals mit zwei geländegängigen Fahrzeugen. Als wir uns nähern winken sie, wir sollen mal anhalten! Ok, mal sehen worum es geht?
Kurz gesagt, sie trauen sich nicht weiter, haben wenig Gutes über die Schlucht und die damit verbundenen Risiken gehört. Aber der Weg reizt sie genauso wie uns!
Irgendwie eine kuriose Geschichte: Locals befragen uns - die Besucher aus dem fernen Europa! Jedenfalls erzähle ich ihnen nichts von unseren Erfahrungen, die ja auch nicht gerade positiv sind. Ich will da rein, denn die Wetterbedingungen sind gut. Wer weiss, wann das wieder so sein wird? Normalerweise ist Kolonnenfahren nicht unser Ding. Wenn wir da reinfahren bekommen sie es auf jeden Fall mit! Also kann man auch gleich erzählen, was man vorhat.
Wenn das ein Anderer wagt, wollen sie auch! Ob sie uns nachfahren dürften? Ja warum denn nicht? Also geben wir den Leader of the Pack. Sie sind hier zuhause, wir nur die Gäste! Los gehts!
An sich ist die Strecke im Canyon ziemlich eben. Man fährt zumeist im Bett des Creeks oder unmittelbar daneben. Viel Raum lassen die Wände nicht, die Schlucht ist selten breiter als 30-50 Meter.
Die Gefahr lauert im Untergrund. In den wasserarmen Monaten mag es so scheinen, als sei der Creek ausgetrocknet. Das kommt aber so gut wie nie vor. Auch wenn oberflächlich streckenweise kein fliessendes Wasser zu sehen sein mag - bestenfalls scheinbar stehende Tümpel - so fliesst der Muddy Creek doch! Versteckt im Boden, im Sand und Kies der Schlucht.
Genau das macht die Passage so risikoreich. Mit Feuchtigkeit übersättigter Sand und Kies werden zu Quicksand (Treibsand), der so gut wie keine Tragfähigkeit aufweist, unter Last nahezu wie Honig fliesst! Watch out! Es sieht so harmlos aus und kann hochgefährlich sein.
Unsere Begleiter schauen, ob wir ein echtes Problem haben? Zum Glück nicht. Wir sind für solche Fälle, die immer wieder mal auftreten, ganz gut ausgerüstet. Und ein eingespieltes Team! Die Locals warten bis klar ist, dass der Plattfuss mit Bordmitteln repariert werden kann und wir nicht etwa ohne Ersatzrad dastehen.
Reifenreparaturspray hilft selten alleine. Es baut zu wenig Druck im Reifen auf. Man hilft besser mit dem Kompressor nach, kontrolliert später erneut. Nach unserer Erfahrung flickt es einen undichten Pneu nur in den wenigsten Fällen dauerhaft, aber zur Überbrückung - für einige 10 Meilen - kann es gut sein. Ist man wieder in der Zivilisation geht man besser zum Reifenhändler, lässt den Reifen professionell reparieren - oder ggf. austauschen.
Hier haben wir vor Jahren für einen ganzen Tag festgesessen. Gefangen in wasserführendem Kies mit viel zu wenigen Kenntnissen, was in so einem Fall getan werden kann und muss! Inzwischen veränderten Fluten die Stelle vollständig. Wenig deutet noch auf den Verlauf des Flüsschens vor 6 Jahren hin! Irgendwie kommt auch noch nachträglich Beklemmung auf.
Wir haben es also tatsächlich geschafft! Ohne Probleme - den Platten kann man nicht ernsthaft rechnen. Unsere einheimischen Begleiter auch. Irgendwie scheint etwas Anspannung von ihnen abzufallen. Sie wollen nun über Temple Mountain zurück auf die UT 24 und wieder nach Hanksville. Good Bye, Folks!
Auch uns fällt ein Stein vom Herzen! Wir sind durchgekommen, unseren Begleitern ist nichts Böses geschehen. Mit drei Fahrzeugen hat man mehr Optionen, falls etwas schiefgeht.
Wir entschliessen uns, noch einmal hinauf auf den Landing Strip zu fahren. Alte Erinnerungen auffrischen!
Unsere Mitreisenden sind längst auf ihren Heimweg, - wir sind alleine! Die 3 Meilen Schlucht haben es in sich, wenn man so vorbelastet ist wie wir. Aber jetzt sind wir wieder im Reinen mit Canyon und Fluss. So entscheiden wir uns - wir fahren jetzt am Abend auf dem Weg zurück nach Hanksville noch einmal durch den Canyon. Nur wir - ganz alleine!
Zwei Tage später unternehmen wir die Tour noch einmal bei schönem Wetter mit strahlend blauem Himmel. Dieses Mal treffen wir niemand, haben die Schlucht für uns, können viel mehr photgraphieren. Die vorstehenden Aufnahmen sind eine Mischung aus beiden Touren.
Inzwischen hat man den Canyon und die nicht ungefährliche Route für "motorized travel" gesperrt, für eindrucksvolle Wandertouren ist er immer noch ein "Geheimtip". Wie problematisch diese direkte Verbindung zwischen der Hidden Splendor Mine und Hanksville war, kann man daraus ermessen, dass man lieber den grossen Umweg über den Temple Mountain in Kauf nahm, als durch den Canyon zu fahren.