Im Tal der Königin
Green River!
Kleinstadt mit kaum 1.000 Einwohnern, die sich selbst als "World Capital of Melons" sieht, aber längst vom Durchgangsverkehr auf der Interstate 70 lebt. Gas, Lodging, Towing - die Einzige Hilfe auf ca. 200 Meilen Länge! - Car Repair!
Das war nicht immer so! Green River ist prädestiniert als Flussübergang und Oase. Nirgendwo auf der gesamten Strecke von Ouray, Utah bis zur Mündung in den Colorado River - immerhin 150 Meilen Luftlinie bzw. 220 Meilen Flusslänge - sind die Bedingungen so gut. Natives nutzten sie, später kamen Reisende auf dem Spanish Trail vorbei. Siedler waren vor allem am ständig vorhandenen Wasser interessiert, begannen mit Ackerbau Die Eisenbahn von Denver nach Salt Lake City fand keine geeignetere Stelle, um den Green River zu überqueren, brachte erstmals Anschluss an die weite Welt. Strassen folgten nach.
Die Namen der Canyons im Norden und Süden - Desolation Canyon, Gray Canyon, Labyrinth Canyon - bezeugen die Schwierigkeiten mit denen der Mensch auf seinen Wegen zu kämpfen hatte. Lediglich am Sand Wash im Desolation Canyon existierte zwischen 1920 und 1952 eine einfache Fähre. Die Stelle - nun Ranger Station - dient heute zum Einsetzen der Boote für diejenigen, die auf dem Fluss nach Green River raften wollen. 5 Tage dauert der Trip!
Für die meisten ist Green River tatsächlich nicht viel mehr als ein Stützpunkt der Zivilisation in einem ansonsten sehr unwirtlich daherkommenden Landstrich. Die Book Cliffs nördlich der Interstate geben sich abweisend grau, das Land rechts und links der Strasse erscheint lebensfeindlich, touristisch unergiebig. Gray Canyon? Das passt! Ok, ok, da gibts noch den Crystal Geyser, der kanns auch nicht rausreissen, er ist ja nicht mal zuverlässig! Kein gutes Ziel für den gehetzten Reisenden!
Gray Canyon! Irgendwie klingt der Name nicht nur abweisend, sondern er hat auch etwas Geheimnisvolles. Sollte man doch einmal etwas Zeit investieren?
Wir hatten es vor Jahren schon einmal versucht, waren die Long Street nach Norden gefahren, aus der Town hinaus und auf die Cliffs zu. Wir wollten auf dem westlichen Ufer die Mündung des Price Rivers erreichen und durch dessen Canyon nach Woodside an der US 6/50 gelangen. Das Unterfangen scheiterte schnell, da sich der Fluss wohl schon vor Jahrzehnten den Weg geholt hatte. Nur ein Trampelpfad war übrig geblieben. Schlechtes Wetter tat ein Übriges. Wir traten den Rückzug an. Unterwegs hatte wir noch einen local getroffen, der uns erzählte, er wolle hinauf auf die Mesa nördlich der Town. Vielleicht hätten wir ihm folgen sollen?
Nun also Jahre später ein neuer Versuch. Dieses Mal auf der östlichen Seite des Rivers. Hastings Road heisst das Zauberwort. Wir nehmen die östliche Ausfahrt der I 70, fahren auf die Town zu. Es geht bergab in Richtung River Bridge. Knapp eine halbe Meile östlich des Rivers zweigt die Road nach rechts ab (12S 0575070, 4315975). Sie ist geteert und in gutem Zustand.
Schön ist es hier nicht unbedingt. Farmland, Gravel Pits, Schrottplätze. Nach guten eineinhalb Meilen (12S 0574780, 4318594) liegt rechts der Strasse der Friedhof der Ghost Town Elgin, die eine Zeitlang mit Green River konkurrierte und am Ende verlor, unterging. Sie lag weiter südlich, zwischen Main Street und der Eisenbahntrasse auf der östlichen Seite des Flusses, nahe der heutigen Kläranlage, auch wenn eine Ghost Town - Website sie westlich des Flusses gefunden haben will. Der Friedhof kann wie so oft mit dem Auto befahren werden, hat seinen ganz eigenen Reiz.
Eine halbe Meile weiter nähert sich die Road dem Fluss an einer Biegung bis auf wenige Meter. Hier überquerte der historische Spanish Trail den River. Zu sehen gibt es hier nichts mehr, wir fahren weiter nach Norden. Bewässerte grüne Flachen werden häufiger. Ranchland!
Hier hat sich etwas verändert! Ab ca. 12S 0575310, 4323490 stimmen die Karten nicht mehr! Weder Topomaps noch elektronische Karten von z.B. DeLorme. Man hat in den letzten Jahren ein Stück der Strasse neu trassiert, um den Tusher Wash sicherer überwinden zu können. Kein Drama - nach eineinhalb Meilen befindet man sich wieder auf der Route, die die Karten verzeichnen. Fehl gehen kann man nicht.
Langsam dringt die Road in den Gray Canyon ein. Ungefähr auf Höhe der markanten Gunnison Butte finden wir am Ufer des Flusses einen grossen Platz zum Campen. Hastings Road und der Gray Canyon sind das Naherholungsgebiet Green Rivers. Hier endet der Teer, auf Gravel gehts weiter nach Norden. Die Road ist gut, wird regelmässig gepflegt. Entgegen einer im Internet zu findenden Beschreibung kann sie bis zum Ende mit jedem Pkw befahren werden, die übliche Vorsicht vorausgesetzt. Lediglich eine kurze Stelle ist schmal, nur einspurig!
Die Road kennt keine Abzweigungen. Man kann sich auf die Landschaft konzentrieren, die eine strenge, archaische Schönheit besitzt. Grau bestimmt tatsächlich das Bild entlang des Flusses, von gelblichbraunen härteren Schichten durchzogen. auch fehlen die sonst so häufigen hohen senkrechten Cliffs. Eine stete, treppenartige Abstufung zwischen weicheren und härteren Schichtfolgen prägt die Szenerie.
Man erkennt, wie sich das relativ neutrale Grau des Gesteins farblich verändern, je nachdem wie man zur Sonne steht, ob sie sich hoch am Himmel oder nahe des Horizonts befindet, ob es bewölkt ist oder klarer Himmel!
Wir nähern uns dem Endpunkt der Road. Konnte man früher vermutlich viel weiter nach Norden vordringen, hat man heutzutage die Road blockiert, nachdem weiter oben am Fluss niemand mehr lebt. Ein Pack Trail ist wohl noch vorhanden, anstrengend und wenig genutzt. Das Durchwandern des gesamten Gray-/Desolation Canyons soll zu den Königsetappen der Hiker zählen, dauert angeblich um die 10-12 Tage.
Ein Höhepunkt steht uns aber noch bevor - wir befinden uns ja im Tal der Königin!
Nahe einer Rapid findet sich am Westhang eine durch Erosion freigestellte Felssäule. Ihr markantes Aussehen hat die locals bewogen, ihr den Namen "Nefertiti" (Nofretete) zu geben. Wir finden ihn passend! Wie eine stolze ägyptische Königin bewacht sie das Tal. Mit etwas Phantasie könnte man sich hier auch Totentempel vorstellen.
Hier endet die Road. Ein einfacher Platz zum campen, eine naturbelassene Boat Ramp. Mehr nicht! Wer weiter nach Norden möchte, muss den Versuch zu Fuss unternehmen. Einige wenige Meilen weiter trifft man einmal mehr auf einen Rattlesnake Canyon, durch den ein Pack Trail hinauf aufs East Tavaputs Plateau führen könnte. Sicher eine der einsamsten Touren Utahs, die die Uintah Reservation der Ute Indianer berührt. Mountain Lions, Black Bears und Wild Horses sind hier zuhause. Menschen eher weniger!
Wir machen uns auf den Rückweg nach Green River!
Dieser Canyon ist ein Chamäleon! Wir haben ihn am hellen Tag gesehen und ihn am Abend bei Sonnenuntergang ein zweites Mal besucht. Die Unterschiede sind unglaublich:
Das Farbenspiel des Abends ist beeindruckend! Auch wenn es nur kurze Zeit währt. Dann bricht schnell die Nacht herein. Jetzt ein Lagerfeuer, ein Zelt! Nicht ganz unsere Welt, aber die Stimmung haben wir genossen!
Anmerkung: Wie beschrieben - die Road bietet keine Hindernisse, ist normalerweise mit jedem Pkw befahrbar. Nördlich der Gunnison Butte gibt es einen kurzen Abschnitt, auf dem die Road einige Meter über das Niveau des Flusses steigt und an einer steilen Felswand entlangführt. Dieser Abschnitt ist lediglich einspurig, aber gut genug einsehbar, so dass keine Kalamitäten zu befürchten sind. Je weiter man in Richtig Nefertiti vordringt, desto weniger gepflegt erscheint die Road, wird aber nie wirklich schlecht.
Es dürfte vorteilhaft sein, die Road an Wochenenden zu meiden, da es sich um eine Art "Naherholungsgebiet" von Green River handelt. Wie beschrieben - geeignet für Family Fun!
Um das intensive orange Leuchten zu erleben muss man den Besuch zeitlich so legen, dass die Sonne hinter den westliche Höhenzügen verschwindet, während man noch im Canyon ist. Es genügt, vielleicht 3-4 Meilen hinter der Gunnison Butte zu sein, da das Farbenspiel nicht allzu lange anhält. Befindet man sich ganz oben an Nefertiti, kommt man aller Wahrscheinlichkeit erst im Dunkeln wieder heraus.