Thunder and Lightning
An einem 20. September Anfang der 1990er Jahre. Wir besuchen das Visitor Center im Capitol Reef, wollen uns über die Bedingungen einer Tour zum Cathedral Valley informieren. Da waren wir noch nie. Viel erfahren wir nicht, lediglich dass wir durch den Fremont River müssten und wo die Furt ungefähr sei. Die Möglichkeit, von Caineville aus am Caineville Wash entlang zu fahren erwähnt niemand. Abschreckungstaktik?
So leicht redet man uns die Strecke nicht aus, das schauen wir uns an! Wir finden die Furt. Passieren ist kein Problem und wir machen uns auf den Weg nach Norden. Über The Hartnet und entlang der South Desert zum Abstieg ins obere Cathedral Valley. Das Wetter ist spätsommerlich. Wechselnd bewölkt, aber noch heiss.
Wir sehen uns Cathedral Valley an, sind etwas enttäuscht. Hintergrund: Bilder die wir gesehen hatten, waren anscheinend aus dem Frühjahr, da standen die roten Monolithen tatsächlich wie englische Kathedralen auf grünen Flächen. Jetzt ist alles gelbgrau. Verbrannt von der Hitze des Sommers. Trotz allem - die Formationen sind beeindruckend.
Nach einem Lunch - die Ice-Box ist immer dabei und stets gut gefüllt - wollen wir zu Temple of Sun and Moon. Noch nicht allzuweit aus dem Upper Valley heraus, sehen wir von Nordwest ein Gewitter kommen. Gut, dass wir in keinem Canyon sind! Auf halbem Weg holt uns das Wetter ein, es blitzt und donnert, regnet heftig und hagelt! Innerhalb von wenigen Minuten sinkt die Lufttemperatur um mindestens 15°C.
Der Hagel beschert uns ein Naturschauspiel, das wir noch nie gesehen hatten: Auf den heissen Böden schmilzt das Eis schnell, die Luft kann den entstehenden Wasserdampf nicht aufnehmen, ist gesättigt. Über dem Boden entsteht - knapp einen Meter stark - Nebel! Wir im Auto sind schon oberhalb in der klaren Luft, aber der Sagebrush verschwindet in einiger Entfernung in den grauweissen Schwaden.
Starker Regen, das kann Gefahr bedeuten - soviel wissen wir auch damals schon. Aber nirgends sehen wir etwas, was auf Überflutung oder Ähnliches hindeuten. Der staubtrockene Boden scheint alles Wasser wie ein Schwamm aufzusaugen. Ausserdem lässt der Regen schon wieder nach. Ein spätsommerliches kleines Hitzegewitter eben! Als wir am Abzweig zu den Tempeln ankommen, sind wir an der Regengrenze, an den Monolithen gibts Sonnenschein und damit herrliche Regenbögen. Das Gewitter zieht in Richtung Caineville ab.
Wir fahren zurück zum Hauptweg, der uns nach Caineville bringen soll. Wegen des Gewitters machen wir uns keine Gedanken mehr, das ist weg und wir wollen erst mal noch ein wenig die Gegend erkunden. Noch wenige hundert Meter und wir sind zurück auf der grossen Dirtroad, müssen jetzt nur noch den breiten, aber trockenen Wash durchqueren.
Gerade als wir durchfahren sehen wir es! Von Westen kommt die Flutwelle! Nichts wie raus aus dem Wash! In kürzester Zeit wird er zum reissenden Strom, überflutet - zum Glück nur wenig tief - sogar noch unsere Fahrspur an abgesenkter Stelle. Was eben noch trocken war ist jetzt ein brodelnder, rotbrauner Wildbach.
Der Hauptweg ist zwar feucht vom Regen, aber nichts besorgniserregendes. Richtung Caineville gehts rechts rum! So schnell, das wir das Gewitter einholen könnten, werden wir sowieso nicht vorwärts kommen.
Unserem Wollen werden schnell die Grenzen aufgezeigt. Der Weg führt durch den Wash. Unpassierbar, wer da reinfährt wird mit Sicherheit weggespült! Umkehren, vielleicht kommen wir in der anderen Richtung durch. Eine Fehlkalkulation! Auch hier wird der Wash durch die Road gequert und auf dem sind die Wellen inzwischen schon höher als einen Meter!
Wir sitzen in der Falle! Da hilft nur Warten. Zum Glück haben wir alles an Bord, um notfalls auch eine längere Zeit zu überstehen. Auch Übernachten wäre kein Problem. Das Wasser steigt nun nicht mehr, aber einen Rückgang können wir auch nicht feststellen! Wir sitzen einfach rum, studieren die Topomaps, die uns keinen Ausweg zeigen.
Nach vielleicht einer halben Stunde nähert sich von der anderen Seite ein SUV. Nissan, Utah License Plate, also vermutlich locals. So ist es! Auch für sie gilt, hier geht nichts! Wir verständigen uns schreiend über das reissende Gewässer. Zurück will er nicht, die Bedingungen seien da zu schlecht, sagt er.
Langsam kann man ein Zurückgehen der Fluten bemerken. Wir machen uns kleine Markierungen, wo es noch steht, beobachten den Pegel hoffnungsvoll. Noch gibt es Chancen, hier nicht übernachten zu müssen! Auch die hohen Wellen werden flacher, es scheint langsamer zu strömen. das ist aber wahrscheinlich nur Einbildung!
Nach vielleicht einer knappen halben Stunde Warten meint unser Gegenüber, jetzt sei das Wasser so weit zurückgegangen, er wolle es versuchen. Soll er! Lieber retten wir nachher ihn als das er uns retten muss! Local ist schliesslich er, muss es also wissen!
Der Nissan setzt sich in Bewegung, langsam tastet sich der Fahrer in den Bach. Der ist immer noch ca. 70 cm tief, die Reifen werden fast völlig vom Wasser bedeckt. Aber er kommt durch! Auf unserer Seite unterhalten wir uns. Er erzählt uns, dass hinter ihm einige kleine, quer laufende Gräben den Weg weggerissen haben. Mit seinem Gefährt hat er er zwar über die Schadstellen geschafft, aber er meint, für die meisten Fahrzeuge gäbs keine Chance. Für uns? Er ist skeptisch. Der Weg zurück durchs Upper Valley hinauf auf The Hartnet sei jedenfalls nicht mehr passierbar.
Er will runter nach Caineville! Das will ich nicht mehr, denn ich weiss um die Bentonite Hills. Ob die nach dem Regen befahrbar sind erscheint mir mehr als zweifelhaft. Das Gewitter hängt auch immer noch im Süden. Trotzdem - er will es riskieren!
Ich habe inzwischen einen anderen Plan! Ein Stück nach Westen, noch vor dem Upper Cathedral Valley zweigt eine Road nach Norden ab. In Richtung I 70! Da gibt es zwar eine Menge Abzweigungen, aber irgendwie sollten wir schon durchkommen, auch ohne GPS! (Haben wir 1994 noch nicht!) Als wir losfahren ist es schon früher Abend. Die Sonne geht in Kürze unter.
Nicht die breiten Washes sind das Problem. Es sind die kleinen, aufgerissenen Gräben!. Selbst ein winziger Wasserlauf kann die Road in wenigen Minuten zerstören. Manche Löcher sind wirklich kaum zu überwinden, aber irgendwie gelingt es uns. Nachdem wir nach Norden in Richtung Solomon´s Temple abgebogen sind wird es peu a peu besser. Hier hat das Wasser keine grössere Erosion verursacht. Den Temple passieren wir in der Dämmerung, dann, in der Last Chance Desert wird es dunkel! Jetzt ist Orientierungssinn gefragt!
Wir schlagen uns Richtung Norden durch! Kommen vorwärts, allzu weit kann es nicht mehr sein. Da, was ist das? Das vor uns liegende, breite, ebene und gerade Wegstück scheint zu leben. Jedenfalls will unser Auto nicht geradeaus! Oder eben nur geradeaus! Auf gut Deutsch, es macht was es will! Selbst bei voll nach rechts eingeschlagenen Rädern driften wir nach links. Sehr gefühlvoll gegebenes Gas führt zum sofortigen Ausbrechen. Die Räder schmeissen immer wieder Schlamm bis hoch nach oben.
Wir sind auf Clay! Diesem bei Nässe tödlichen Zeug, da hätten wir auch die Caineville - Route wählen können! Aber immerhin, hier ist es eben, dort hätten wir ein ziemliches Gefälle herunter gemusst. Sowas kann im Desaster enden.
Dann in einiger Entfernung Lichter fahrender Autos! Die I 70! Und irgendwann eine Autobahnauffahrt. Dort, wo von Norden die UT 10 aus dem Castle Valley kommt. Wir fahren nach Osten, wollen ja wieder nach Moab. Nur wird uns der Treibstoff nicht reichen. Wir tanken in Green River, sehen die Bescherung! Unser Explorer ist bis auf das Dach hinauf mit Schlamm verkleistert, dort oben kleben faustgrosse Brocken. Aber das lösen wir morgen! Schön war die Tour trotz allem!
Nachsatz:
Das erlebte Gewitter war weder heftig, noch ist die Gegend besonders gefährlich. Relativ flaches Land, das leicht ein Ausweichen zur Seite erlaubt. Trotzdem können solche Wetterverhältnisse in kürzester Zeit zu bedrohlichen Situationen führen. Ein Grund, immer zu warnen, stets gut ausgerüstet zu sein. Mit einem HC oder weniger hätten wir vielleicht für Tage festgesessen - bis zum nächsten Grader!